We shall overcome
Vorstandsvorsitzender der evangelischen Gesellschaft Stuttgart e.V. Pfarrer Heinz Gerstlauer:
Liturgie und Diakonie gehören zusammen
21. Oktober 2012, Pauluskirche Stuttgart-Zuffenhausen
„Einen Gottesdienst zum Thema „Langzeitarbeitslosigkeit" gestaltete die Denkfabrik des Sozialunternehmens Neue Arbeit gemeinsam mit der Kirchengemeinde Stuttgart-Zuffenhausen und der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart. „We shall overcome. Ausgrenzung überwinden – Langzeitarbeitslose Menschen integrieren" lautete sein Motto. Etwa 100 Menschen kamen in die Pauluskirche in Zuffenhausen. Musikalisch stand der Gottesdienst ganz im Zeichen der Spirituals. Auch Werner Lener (Klavier) und Thomas Krisch (Kontrabass) verwendeten sie als Grundlage für ihre Improvisationen.
Seiner Predigt legte Pfarrer Heinz Gerstlauer, Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Gesellschaft, einen Text des Propheten Amos zugrunde: „Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht riechen. [...] Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach." Gerstlauer verglich die Zeit, in der Amos lebte, mit heute. Auch damals sei es dem Land gutgegangen, aber nicht alle hätten davon profitiert. Die Wohlhabenden hätten ihr Geld für schicke Häuser, Kunst oder schöne Gottesdienste ausgegeben. Aber: „Sie sorgten dafür, dass das herrschende Recht das Recht der Herrschenden war. Klar, dass das nicht für alle gut geht."
Es gehe nicht darum, die Gottesdienste abzuschaffen. „Amos und Gott kritisieren den Kultbetrieb, der nur sich selbst feiert". Man müsse immer alles zusammendenken, das Feiern und die Hilfe für andere. „Wenn wir Kinder taufen, müssen wir uns anschließend um sie kümmern", so Gerstlauer. „Gottesdienste sollten nicht sein wie ungedeckte Schecks. Ungedeckte Schecks führen zur Finanzkrise. Ungedeckte Gottesdienste führen zur Gotteskrise. Es ist richtig, Gottesdienste zu feiern, damit man am Montag weiß, welche Orientierung man hat. Wir brauchen Gottesdienste nötiger als Gott selbst. Damit wir den anderen Mächten standhalten können: Der Ökonomie, der Politik, dem Egoismus, den auch wir in uns tragen. Wir brauchen Gottesdienste, damit wir wissen, wo wir wirken können."
Gerstlauer lenkte den Blick auf die A-Gruppen, die von der Gesellschaft Unterstützung brauchen: die Alkoholiker, die Alleinerziehenden, die Alten, die Asylbewerber, die Abhängigkeitskranken, die Ausgebrannten und die Abgehängten. „Die Armut frisst sich in die Mittelschicht", so Gerstlauer, und: „Wir nehmen den Armen nicht nur das Geld, sondern auch die Würde; nicht nur das Geld, sondern auch die Chancen. Wer arm ist, bleibt arm." Am Ende sei nicht nur der Wohlstand in Gefahr, sondern auch die Demokratie.
Anke Mohnhaupt und Friedrich Kern von der Denkfabrik lasen zwei Lebensbilder von Betroffenen. So wurde deutlich, wie schwer langzeitarbeitslose Menschen kämpfen müssen und wie wichtig öffentlich geförderte Arbeit für sie ist. Martin Tertelmann von der Denkfabrik zeigt noch einmal die Dimensionen des Problems auf. So gibt es seit 2005 im Durchschnitt 29.000 langzeitarbeitslose Menschen in Stuttgart. Zum Vergleich: 21.000 Menschen arbeiten für Daimler in Untertürkheim.
...schließen